Prof. Zahrnt zu ihrem Buch Postwachstumsgesellschaft

Prof. Angelika Zahrnt zu Möglichkeiten der Postwachstumsumsetzung bei wirtschaftlicher Stagnation oder Schrumpfung und ihrem Buch “Postwachstumsgesellschaft - Konzepte für die Zukunft”.

Das Interview gibts auch hier auf Vimeo Go to Vimeo home page .

Transkript: “Wie müssen, können Wirtschaft und Gesellschaft organisiert sein, wenn wir keine Wachstumsgesellschaft mehr sind?Wenn also diese ständigen Wachstumsraten, die wir seit dem zweiten Weltkrieg haben, nicht mehr stattfinden, es eine Stagnation oder auch eine Schrumpfung gibt. Und wie soll es in dieser Zeit post-Wachstum, das heisst also nach dieser Wachstumsphase, aussehen? Welche Gesellschaft soll es dann geben, oder kann es dann geben? Weil unsere jetzigen Gesellschaften sind ja ganz stark darauf ausgerichtet, daß alles immer wächst, die Geschwindigkeiten, vor allem das Bruttoinlandsprodukt, das heisst die Masse an Gütern und Dienstleistungen wird jedes Jahr größer. Und wenn man jetzt eine Entzugskur machen würde, daß es weniger wird oder stagniert oder auch insgesamt weniger wird, dann muss man sich überlegen, wie geht der Einzelne damit um, der gewöhnt ist seine Freizeit im Kaufen zu verbringen, was dann nicht mehr in dem Maße stattfindet, oder was macht das Gesundheitswesen, daß jährlich Mehrausgaben für Gesundheit da sind, oder wie finanzieren wir die Altersversorgung, wenn eben auch die Einnahmen nicht mehr so hoch sind. Von daher sind da eine Reihe von Fragen damit verbunden, wenn das Wachstum eben nicht mehr so weiter geht wie bisher. Und sich mit diesen Fragen für eine Zeit nach dem Wachstum, für eine Post-Wachstumsgesellschaft auseinandersetzen, das war die Zielsetzung dieses Buches, aber ich gebe Ihnen glatt zu, daß der Titel nicht sehr gut verständlich ist, daß er sich nicht sehr gut verkauft, wenn er irgendwo auf dem Ladentisch liegt, daß er aber zutreffend ist. Und dadurch, daß das ein wissenschaftliches Buch ist lag uns daran, den zutreffenden Titel zu wählen, auch wenn uns Buchhändler und Verleger gesagt haben, er wäre doch viel besser gewesen “Die Freiheit vom Wachstum”, oder “Glücklich ohne Wachstum”, oder derartig flottes zu nehmen, aber es ist ein nüchternes Buch, das eben wirklich sich damit befasst, was oben drauf steht, nämlich Konzepte für die Zukunft, in einer Zeit, wo es nicht mehr vorhergegeben ist, daß wir ein ständiges Wachstum haben. Und die Definition dieser Postwachstumsgesellschaft ist, daß es eine Gesellschaft ist, die sich innerhalb der ökologischen Grenzen entfaltet, die das also als vorrangig ansieht, das wir die Ressourcen dieser Erde nicht überstrapazieren und das wir nicht auf Kosten künftiger Generationen leben. Das wir kein explizite Wachstumspolitik haben, also eine weitere Verschuldung, um das Wachstum anzukurbeln, durch staatliche Konjunkturprogramme, durch staatliche Konsumförderung, daß dieses, was man in der Vergangenheit immer gemacht hatte, wenn das Wachstum mal Schwächen hatte, das man das unterläßt. Und ob dann in einer solchen Gesellschaft ein wirtschaftliches Wachstum als Kennziffer herauskommt oder nicht, ist nicht das Entscheidende. Sonder das wichtige ist, daß die Übernutzung der Natur aufhört, daß wir keine weitere Verschuldung zu Lasten künftiger Generationen haben. Das sind sozusagen die Eckpfeiler. Und die Frage, ob dann letztlich sowas wie ein Bruttoinlandsprodukt herauskommt, das wächst, herauskommt ist sekundär, aber damit das sekundär sein kann, muß man ersteinmal Konzepte entwickeln, die einen unabhängiger machen davon, daß dieses Bruttoinlandsprodukt ständig wachsen muß, damit unsere Systeme funktionieren.

Zwischenfrage: Einige Wissenschaftler sind sich sicher, daß die Postwachstumsgesellschaft kommen wird, “by design, or by desaster”. Was sagen Sie zu dieser These?

Genau. Das ist der kanadische Forscher Peter Victor, der das gesagt hat, und ich finde das ist eine sehr zutreffende Bezeichnung. Es kommt sowieso, es zeichnet sich jetzt schon ab, daß wir in den hochentwickelten Industriestaaten eine Abnahme der Wachstumsraten haben, daß wir derzeit auch nahezu schon Stagnation haben, in etlichen Industriestaaten ja auch schon einen Rückgang, aber damit wir diese Postwachstumsgesellschaft nicht auf eine Art und Weise erfahren, wie das jetzt die Länder im europäischen Süden erfahren mussten, mit dem Absturz in Spanien, in Griechenland, ist es eben klug, sich auf diese Zeit jetzt schon einzustellen, jetzt schon einzurichten und eben Konzepte zu entwickeln, wie wir mit diesem geringeren Wachstum oder keinem Wachstum umgehen können. Daß einen das nicht überfällt wie ein Desaster, und das Desaster kann ja ein ökonomisches Desaster sein, oder es kann ein ökologisches sein. Und dieses Buch ist eben auch ein Versuch sich auf eine andere Phase vorzubereiten, langsam umschwenken zu können, damit das nicht überfallartig wie ein Desaster auf eine Gesellschaft zukommt.”