Dietmar von Blittersdorff im Interview zur Bürgerenergie und Energiewende

Am 26. und 27. Februar 2016 trafen sich in Kaiserslautern Akteure der Energiewende auf der Tagung “Neue Geschäftsmodelle für Energiegenossenschaften”.

Die Teilnehmer waren aus ganz Deutschland angereist und letzte Anmeldungen mussten wegen der überraschend hohen Nachfrage zurückgewiesen werden, da die Räumlichkeiten in der Energieagentur Rheinland-Pfalz ihre Kapazität erreicht hatten. Sowohl die bundesweite Resonanz, als auch die Zahl der Teilnehmer war für die Tagungsleitung unerwartet.

Nach Tagungsende stand Dietmar von Blittersdorff für das folgende Interview zur Verfügung.

Das Interview gibts auch hier auf Vimeo Go to Vimeo home page .

Frage: Wer bist Du und warum warst Du hier?

Dietmar von Blittersdorff: Mein Name ist Dietmar von Blittersdorff. Ich bin Vorstand des Netzwerks Energiewende Jetzt und Aufsichtsratsvorsitzender im Bündnis Bürgerenergie in Berlin.

Frage: Viele der bestehenden Energiegenossenschaften haben als Geschäftsmodell die Stromerzeugung mit Solaranlagen. Diese Betriebsmittel haben eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Auf der anderen Seite gehen die Neugründungen von Genossenschaften zurück und auch der Ausbau von neuen Solarflächen geht zurück. Sind diese zwei Tendenzen vor dem Hintergrund der begrenzten Lebensdauer der Anlagentechnik langfristig schwierig für die Energiegenossenschaften in Deutschland?

Dietmar von Blittersdorff: Nein. Die Entwicklung zeigt jetzt bereits, dass Genossenschaften überlegen, wie sie den von ihnen erzeugten Strom vermarkten können. Sie müssen also keinesweg warten bis die Förderung [über das Erneuerbare Energien Gesetz, EEG] ausläuft, sondern sie können sich bereits bei neuen Projekten überlegen, wie bringe ich den Strom entweder über Eigenverbrauch oder per Direktlieferung an den Kunden. Der Gedanke, Erzeuger als auch Verbraucher zu sein, verbreitet sich derzeit immer mehr und wird auch eine wichtige Rolle spielen in Zukunft, und da sehe ich auch die Energiegenossenschaften gut aufgestellt. Die zweite Frage ist, was macht man nach der Förderphase mit dem dann weiterhin erzeugten Solarstrom? Auch hier gibt es ganz interessante Modelle. Elektromobilität ist eines von diesen Modellen. Auf jeden Fall denken die Genossenschaften eher daran, den Strom einem guten Zweck wie zum Beispiel der E-Mobilität zuzuführen, bevor sie den Strom an der Strombörse verramschen.

Frage: Die Wertschöpfungsmöglichkeiten von auf dem Erneuerbare Energien Gesetz basierten Geschäftsmodellen nehmen ab, die Geschäftsmodellkomplexität nimmt für Energiegenossenschaften hierzulande zu. Wo liegen heute noch die Vorteile von Bürgerenergiegenossenschaften?

Dietmar von Blittersdorff: Das ist richtig, die Geschäftsmodelle sind komplexer geworden. Ich denke aber, dass die Energiegenossenschaften nach wie vor gute Chancen haben, weil sie regional aufgestellt sind, weil sie die regionale Wertschöpfung fördern, und weil sie einen gemeinschaftlich organisierten Geschäftsbetrieb haben. Wenn sie diese Vorteile richtig ausnutzen, dann gelingt es ihnen auch neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, sodass ich also durchaus optimistisch bin, dass Energiegenossenschaften bei der Energiewende noch eine wichtige Rolle spielen werden.

F.: Die Welt schaut auf die deutsche Energiewende. Ist sich die Energiepolitik hierzulande ihrer weltweiten Vorreiterrolle bewusst?

Dietmar von Blittersdorff: Ich würde mal so sagen: Die Welt schaute auf die deutsche Energiewende. Ob sie immernoch drauf schaut? Vielleicht eher so, wie in Deutschland versucht wird, die Energiewende auszubremsen, zum Beispiel mit Ausschreibungen. Denn das Ausschreibungsmodell [für neue Energieerzeugungsanlagen] wird zunehmend auch in anderen Ländern praktiziert. Ich glaube, dass wir diese Führungsrolle etwas verloren haben inzwischen.

Auch durch unseren technologischen Vorsprung hätten wir die Chance die Energiewende massiv voranzutreiben und zu zeigen, dass es in einem industrialisierten Land durchaus möglich ist, auf 100% erneuerbar zuzusteuern. Aber die jetzigen Ausbauziele werden nicht erreicht werden. Die Klimaziele werden nicht erreicht werden. [siehe Youtube dieses Aktionsvideo] Deshalb bin ich skeptisch was die Vorreiterrolle Deutschlands betrifft bei der Energiewende.

F.: Kritiker sprechen sogar von Bestandsschutz per Gesetz.

Dietmar von Blittersdorff: Ja, da ist schon was dran. Weil alles, was man jetzt versucht ist natürlich den schnellen Ausbau eher zu bremsen, um den großen Energieversorgern die Chance zu lassen, das was sie über Jahre verschlafen haben, wieder aufzuholen und sich umzustellen auf erneuerbare Energien. Die Bürgerenergie wäre in der Lage die Energiewende viel schneller zu realisieren. Vielleicht braucht es mehr Bürgerenergie und weniger Staat.

F.: Der schlafende Riese der Energiewende wird in der Energieeinsparung gesehen. Wie steht es mit der Energieeffizienz und der potentiell damit einhergehenden wirtschaftlichen Schrumpfung, gibt es da einen Zielkonflikt mit den gängigen Youtubewirtschaftlichen Wachstumsparadigmen?

Dietmar von Blittersdorff: Ich glaube schon, dass es diesen Konflikt gibt, weil ja unsere Ideologie immer mehr Wirtschaftswachstum ist. Wir müssen immer mehr produzieren, um die Zinsen der vergangenen Jahre zu refinanzieren. Das bringt uns in ein Dilemma und auch in Youtube Finanzkrisen, die sich in Zyklen wiederholen werden. Wir müssen da grundsätzlich eher umsteuern, auch was die Wirtschaft angeht. Weniger Wachstum ist jetzt zwar leicht gesagt, aber es bedeutet auch weniger Ressourcenverschwendung, das muss man auch mal sagen. Wir müssen ja, wenn wir die CO2 Ausstoßziele pro Person erreichen wollen, deutlich einsparen. Und da bin ich etwas skeptisch, ob uns das gleichzeitig [mit mehr Wachstum] gelingt, ich bin da eher zweifelnd.

F.: Haben Energiegenossenschaften Vorteile gegenüber schuldenbasiertem Wirtschaftswachstum?

Dietmar von Blittersdorff: Ja, klar. Die Energiegenossenschaften realisieren Projekte, die zum größten Teil von ihren Mitgliedern durch Privatkapital finanziert sind. Manche finanzieren zwar zusätzlich durch Kreditaufnahmen, aber ich glaube nicht, dass sie in die Verschuldungsfalle laufen damit. In einer Energiegenossenschaft hat ein Vorstand und der Aufsichtsrat die Aufgabe mit dem Kapital der Mitglieder sorgsam umzugehen, deshalb können sie beispielsweise auch kein Risikokapital in Ausschreibungen setzen. Das geht nicht. Man verwaltet das private Geld der Mitglieder und das allein schon sagt, dass Energiegenossenschaften sehr sorgsam und auch sehr vorsichtig mit dem Kapital ihrer Mitglieder umgehen.

F.: Vielen Dank für das Interview.

Dietmar von Blittersdorff: Bedanke mich auch.