Prof. Moore im Interview zum Erfolg der erfolglosen Suche nach Leben im All

Professor Dr. Ben Moore lehrt Astrophysik an der Universität in Zürich und schreibt als renommierter Wissenschaftler trotzdem

lesbare Bücher über Astrophysik, wie zum Beispiel Elefanten im All.

RE: Sie hatten diesen außergewöhnlichen Vortrag vorhin über die mathematische Wahrscheinlichkeit von außerirdischem Leben und dem aktuellen Stand der Forschung (Vortrag Prof. Moore vom 29.10.2016). Ich wundere mich seit langem über die Bereitschaft der Menschheit, nach außerirdischem Leben zu suchen. Sind wir aber andererseits wirklich bereit, außerirdisches Leben zu finden?

BM: Ob wir bereit sind, außerirdisches Leben zu finden? Es kommt darauf an, wie viel Science Fiction wir uns ansehen und wie aufregend wir das Thema finden. Ich glaube die Menschen machen sich wenig Gedanken darüber, wie schockierend unterschiedlich solche Lebensformen sein könnten. Nicht nur ihr Aussehen könnte sich drastisch unterscheiden, sondern auch ihre Umgangsformen. Ich bin Teil eines wissenschaftlichen Netzwerks, das sich mit dem Ablauf eines ersten Kontaktes beschäftigt, also wie wir auf Außerirdische zugehen würden in einem solchen Fall. Das ist eine gute Frage, weil wir nämlich so weit normalerweise nicht denken. Üblicherweise malen wir uns aus, wie cool Außerirdische sein würden und welche Ausrüstung sie haben würden, ihre coolen Elektroniken und coolen Raumschiffe. Die Realität sieht vermutlich ziemlich anders aus. Einer meiner liebsten Science Fiction Filme heisst District 9 und in diesem Film werden die Außerirdischen von den Menschen in ein Ghetto eingesperrt in Südafrika. Also die Umkehrung des gängigen Narrativs. Um auf die Frage zurückzukommen: wir wissen nicht, wie wir reagieren würden. Wahrscheinlich wird einfach nur Panik ausbrechen.

RE: Wäre es dann vielleicht nicht besser, wir würden nie etwas finden und besser beim Suchen bleiben?

BM: Aller Wahrscheinlichkeit nach sind wir es, die von intelligenten Außerirdischen gefunden werden. Sie würden also eher zu uns kommen, hauptsächlich weil uns die Technologie fehlt, zu ihnen zu gehen. Falls Außerirdische die Reise von einem fernen Sonnensystem auf sich genommen haben, sie also ein Raumschiff gebaut haben und es geschafft haben, damit all diese Lichtjahre durch den Raum zu fliegen, muss es sich um intelligente Außerirdische handeln. Und es ist wahrscheinlich, dass sie relativ friedfertig sein werden. Weil wenn man einen Planeten wie unseren hat, auf dem jeder mit jedem im Streit liegt und sich alle ständig bekriegen, kann man die Mittel für ein Raumschiff gar nicht zusammenbekommen, weil man ja all sein Geld für Bomben ausgeben muss. Das bedeutet für eine außerirdische Rasse, die ein Raumschiff gebaut hat, dass sie sich zusammenreissen kann, sich friedlich verhält und sinnvoll mit ihren Ressourcen umgeht und deshalb Technologie und Geld in ein Raumschiff investieren kann. Sie werden als ziemlich wahrscheinlich freundlich sein, jedenfalls hoffe ich das.

RE: Könnten Sie sich vorstellen, dass die Ankunft eines solchen außerirdischen Besuchers oder einer Gruppe dieser Spezies vor dem Hintergrund wie wir mit uns selbst und unserem Planeten umgehen vielleicht ein gewisses Maß an Scham unsererseits auslösen könnte?

BM: Sicher. Es ist sehr wahrscheinlich, dass jede intelligente Spezies weitaus intelligenter sein wird als wir es sind. Unsere Wissenschaften sind ein paar Tausend Jahre alt, während außerirdische Lebensformen bereits seit Jahrhunderttausenden Wissenschaft betrieben haben. Das ist auch meine favorisierte Lösung des Fermi Paradox. Warum wir also noch nicht von Außerirdischen besucht worden sind hängt aus meiner Sicht damit zusammen, dass wir diesen Lebenformen vermutlich als zu unterentwickelt erscheinen. Sie würden vermutlich vorziehen, einen irdischen Ameisenstaat zu besuchen, da die Ameisen bereits seit Millionen von Jahren diese riesigen Städte bauen.

RE: Könnte es auch sein, dass ein gewisser Teil der Menschheit ärgerlich auf die Außerirdischen reagieren könnten, da diese vielleicht nicht ihre Weltsicht teilen werden?

BM: Falls es sich um fortgeschrittene Außerirdische handeln würde, fundieren sie ihr Wissen vermutlich eher auf die Wissenschaft.

RE: Sie sind also in diesem Ankunftskoordinationskomitee. Welches Protokoll ist für den Erstkontakt vorgesehen?

BM: Aktuell haben die schlausten Köpfe unseres Planeten eine Liste der feinsten Weine zusammengestellt. Und wir werden uns gemeinsam an einen Tisch setzen, um uns bei guten Weinen auszutauschen. Wir gehen davon aus, dass dies den Außerirdischen gefallen wird. Es sei denn es handelt sich um Besucher, deren Körper auf Silizium basieren [statt Kohlenstoff wie beim Menschen], weil Silizium und Wasser sich nicht richtig vertragen.

RE: Für den letztgenannten Fall, haben Sie da ein alternatives Begrüßungsprotokoll?

BM: Im Moment noch nicht. Wir arbeiten aber daran (lacht). Um aber etwas ernsthafter auf die ursprüngliche Frage zu antworten: Zuerst wäre wichtig eine Kommunikation aufzubauen, basierend auf Mathematik und Logik, weil Mathematik und Physik überall im Universum gleich sind. Eins und eins ergibt zwei hier, als auch auf Alpha Centauri. Und die Gesetze der Physik gelten hier genauso wie auf Alpha Centauri. Deshalb wäre der erste Schritt einen Kommunikationsweg aufzubauen, und dabei beginnt man mit Mathematik, Logik und Physik. Und auf dieser Basis wird dann aufgebaut.

RE: Können Sie positive Auswirkungen durch ihre Vorträge zu diesem Thema auf die Zuhörerschaft feststellen? Immerhin konfrontieren Sie das Publikum zumindest virtuell mit außerirdischem Leben.

BM: Wir haben ja alle schonmal über außerirdisches Leben nachgedacht und ich versuche schlicht eine wissenschaftliche Perspektive auf Basis der jüngsten Erkenntnisse über die Existenz von Millarden von Welten wie unserer da draussen zu geben. Auch über das, was wir über Biologie, Biochemie und Chemie dort draussen annehmen können. Aber sicherlich, genau wissen tun wir sehr wenig. Wovon wir mit Sicherheit ausgehen können, ist das Leben auf unserem eigenen Planeten, das wir verstehen und das aber vielleicht nur ein kleines Puzzlestück darstellt.

RE: Hintergrund meiner Frage sind die wiederkehrenden Berichte von vielen Astronauten, die unsere Erde aus dem Weltraum betrachten konnten und durch diese Erfahrung zu einem anderen Weltbild gelangt sind, welches sich grundlegend auf den Rest ihres Lebens ausgewirkt hat. Könnten Sie sich vorstellen, dass wir - obwohl wir selbst nicht in den Raum reisen können - an dieser Erfahrung in gewissen Weise teilhaben könnten, indem wir über die Möglichkeit von außerirdisches Leben nachdenken? [wie Noam Chomsky]

BM: Wenn wir tatsächlich Leben da draussen entdecken würden, wäre das die größte Entdeckung in der Geschichte der Menschheit. Sogar für den Fall, dass es nur primitives Leben in Form von Mikroben sein würde. Das Wissen, dass sich Leben an einem anderen Ort viele Lichtjahre und unabhängig von der Erde entwickelt hat, das würde unser Leben und unsere Welt relativieren und es würde die Sichtweisen der Menschen unmittelbar verändern. Dazu würde es keiner komplexen und superintelligenten Lebensformen bedürfen. Zu wissen, da ist Leben da draussen, wäre eine bemerkenswerte Erkenntnis.

RE: Vergleichbar mit der grundlegenden Erkenntnis, dass die Erde nicht das Zentrum des Universums ist?

BM: Deutlich grundlegender, deutlich grundlegender. Weil die Menschen eine engere Verbindung zum Leben haben, als sie sie zum Universum haben.

RE: Wie sehen Sie soziale Auswirkungen oder Auswirkungen auf die Wirtschaft?

BM: Hoffentlich würde es manche Ansichten über Religion und die Idee vom ach so besonderen Menschen ändern. Das ist etwas, was mir nicht so passt. Denn wenn wir uns mit dem Leben auf der Erde oder im Universum vergleichen, so ist meine Meinung, dass wir unbedeutend sind. Wir sind besonders, weil wir Menschen sind und es etwas Besonderes ist, am Leben zu sein. Aber im großen Maßstab sind wir unbedeutend. Leben da draussen zu finden, würde genau dies beweisen.

RE: Würden Sie es mit Nietzsche halten und sagen, dass wenn man nur lange genug in einen Abgrund blickt, wobei dieser Abgrund ja der Weltraum sein könnte, dass dann dieser Abgrund

BM: Ich halte es nicht so mit Nietzsche.

RE: Vielleicht ein anderer kluger Satz zum Schluss?

BM: Lasst uns beobachten und verstehen, unsere Neugier, unser Gehirn und unsere Sinne benutzen. Alleine die Fähigkeit, neugierig zu sein, ist etwas ganz Besonderes.

RE: Vielen Dank für dieses Interview.

BM: Es war mir ein Vergnügen.