Rolling Stone veröffentlicht Bericht zum radioaktiven Abfall von hydraulischem Fracking

Das Problem ist bereits seit langer Zeit bekannt, wird jedoch kaum thematisiert. Nun erschien ein investigativer

Bericht im Rolling Stone Magazin. Es folgt ein Auszug:

“In einer Untersuchung, die hunderte von Interviews mit Wissenschaftlern, Umweltschützern, Regulierungsbehörden und Arbeitern umfasste, fand Rolling Stone weitreichenden Fälle von Verunreinigungen - Abwässer aus der Öl-und-Gas Förderung, die in ganz Amerika verschüttet, verteilt und deponiert wurden und zu wenig untersuchte Risiken für die Umwelt, die Öffentlichkeit und insbesondere die eigenen Mitarbeiter der Branche darstellen. Der Öffentlichkeit ist dieser enorme Abfallstrom kaum bekannt, dessen Entsorgung bei jedem Schritt Gefahren mit sich bringen könnte - vom Transport auf Amerikas Autobahnen in unmarkierten Lastwagen, über den Umgang mit Arbeitern, die oft falsch informiert und nicht geschützt sind, bis hin zum Einsickern in die Wasserwege und zur Lagerung auf Deponien, die nicht für die Eindämmung der Giftstoffe ausgelegt sind. Sole wurde sogar in kommerziellen Produkten verwendet, die in Baumärkten verkauft werden, und wird auf den Straßen als Enteisungsmittel ausgebracht.

“Im Grunde genommen nimmt man ein unterirdisches, radioaktives Reservoir und bringt es an die Oberfläche, wo es mit Menschen und der Umwelt in Wechselwirkung treten kann”, sagt Marco Kaltofen, ein Wissenschaftler der Nuklearforensik am Worcester Polytechnic Institute. “Wenn wir dieses Zeug an die Oberfläche bringen, ist es, als ob wir den Teufel herauslassen”, sagt Ian Fairlie, ein britischer Strahlungsbiologe: “Es ist einfach nur Wahnsinn”.

Das Ausmaß der gesundheitlichen Auswirkungen ist unbekannt, vor allem weil nicht genügend Tests durchgeführt wurden. Viele Ärzte sind sich der Risiken einfach nicht bewusst. In Pennsylvania war es Ärzten zeitweise sogar verboten, mit Patienten über einige, durch Fracking hervorgerufene Vergiftungen zu sprechen - die umstrittene “Medical Gag Rule”, das sog. medizinische Redeverbot, wurde 2016 vom Obersten Gerichtshof des Bundesstaates abgeschafft. Außerdem entsteht Strahlenkrebs oft erst Jahre nach der Bestrahlung, so dass es schwierig ist, die Ursache zu ermitteln. “Es ist sehr schwierig, zu sagen, dass die Exposition von der Ölindustrie ausgeht und nicht von anderen Dingen - ‘Du rauchst zu viel, trinkst zu viel’ - und die Öl- und Gasindustrie ist ein Meister darin, zu sagen: ‘Das hast du dir doch selbst angetan’”, sagt Elizabeth Geltman, Gesundheitsexpertin an der City University of New York.

Aber eine Reihe von Gerichtsverfahren aus jüngster Zeit spricht dafür, dass eine direkte Verbindung zur Strahlenbelastung am Arbeitsplatz hergestellt werden kann. Expertenaussagen in Prozessen von Dutzenden von Arbeitern der Öl- und Gasindustrie in Louisiana, die Jahrzehnte zurückreichen und 2016 beigelegt wurden, zeigen, dass Rohrreiniger, Schweißer, Arbeiter, Hilfsarbeiter, Bohrarbeiter und LKW-Fahrer, die schmutzige Rohre und Schlamm beförderten, alle ohne ihr Wissen Radioaktivität ausgesetzt waren und eine Litanei von tödlichen Krebserkrankungen erlitten. Ein von den Centers for Disease Control and Prevention entwickeltes Analyseprogramm ermittelte mit bis zu 99-prozentiger Sicherheit, dass die Krebserkrankungen durch den Kontakt mit Radioaktivität am Arbeitsplatz, einschließlich des Einatmens von Staub und Radioaktivität, die sich auf dem Boden des Arbeitsplatzes angesammelt hat, verursacht wurden. Ihre eigene Kleidung, und sogar das Befeuchten der Lippen oder das Mittagessen haben die Exposition erhöht. Marvin Resnikoff, ein Atomphysiker und Spezialist für radioaktive Abfälle, der als Sachverständiger fungierte, sagt, dass in jedem Fall die Arbeiter gewonnen oder die Industrie sich aussergerichtlich geeinigt habe. “Ich kann Ihnen sagen, dass diese Industrie über enorme Ressourcen verfügt und die besten Leute eingestellt hat, die sie konnte, und sie waren nicht erfolgreich”, sagt er, und fährt fort: “Sobald Sie als Geschädigter die Nachweise haben, ist der Fall unbestreitbar.”

Radioaktivität wurde erstmals 1904 in Rohöl aus einer Bohrung in Ontario entdeckt, und Radioaktivität in Sole wurde bereits in den 1930er Jahren gemeldet. In den 1960er Jahren hatten Geologen der US-Regierung Uran in erdölführenden Schichten in Michigan, Tennessee, Oklahoma und Texas gefunden. Anfang der 1970er Jahre erfuhr Exxon, dass sich in den meisten seiner Gaswerke Radioaktivität in Pumpen und Kompressoren ablagerte. “Fast alle Materialien, die für die Erdölindustrie von Interesse und von Nutzen sind, enthalten messbare Mengen an Radionukliden”, heißt es in einem nie veröffentlichten Bericht aus dem Jahr 1982 des American Petroleum Institute, der wichtigsten Handelsgruppe der Branche, welcher von einem ehemaligen Mitarbeiter der staatlichen Regulierungsbehörde an Rolling Stone weitergeleitet wurde.” [eigene Übersetzung]

Die Vorrangstellung des derzeitigen Weltmeisters in Sachen Öl- und Gasförderung wird also offensichtlich durch Externalisierung der tatsächlichen Kosten ermöglicht. Flora, Fauna, das menschliche Gesundheitssystem und zukünftige Generationen tragen die ausgelagerten Kosten. Genau so geht Nachhaltigkeit nicht. Oder anders ausgedrückt: Wäre die Sache überhaupt wirtschaftlich, wenn ehrlich eingepreist werden würde? Und ist das vielleicht ein Hinweis darauf, warum man dieses Verfahren nicht schon früher angewendet hat? Denn im Jahr 1990 haben bereits zwei Artikel (1, 2) in der NYT öffentlich auf die Problematik hingewiesen.

Das englische Original des obigen Auszugs finden Sie vollständig hier.

EDIT vom 28.02.2020: Vice Artikel “… the report arrives at the shock conclusion that the economic viability of the entire global oil market could come undone within the next few years.”